Wie der Berliner Ex-Museumschef Schuster zitiert und argumentiert

Ein zwei Jahre alter Text von Peter-Klaus Schuster zur Neuordnung der Berliner Museumslandschaft wurde jetzt im offiziellen Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz neu abgedruckt. Darin finden sich sehr »kreative« Interpretationen von Äußerungen renommierter Fachleute. Schusters Argumentationsweise folgt Rezepten von Arthur Schopenhauers »Kunst, recht zu behalten«.

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Im Mai 2014 ist das offizielle Jahrbuch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für das Jahr 2012 erschienen. In der Presseerklärung der Stiftung vom 16.5.2014 wird einer der Schwerpunkte des Jahrbuchs so beschrieben:

Das Jahr 2012 war für die SPK in besonderem Maße von der öffentlichen Debatte um die Neuordnung ihrer Sammlungen Alter Meister und der Kunst des 20. Jahrhunderts geprägt. Im Jahrbuch gibt eine umfangreiche Pressedokumentation die kontroverse Diskussion wieder. Sie wird ergänzt durch einen Text des ehemaligen Generaldirektors der Staatlichen Museen zu Berlin, Peter-Klaus Schuster.

Und in der Einleitung dieses Schwerpunkts im Jahrbuch selbst steht auf Seite 120:

Daneben umreißt der Beitrag von Peter-Klaus Schuster, dem früheren Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin, die Gründe, den Umzug der Alten Meister an die Museumsinsel in den Planungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz weiterzuverfolgen.

Welt, 11.8.2012
Welt, 11.8.2012

Der Text mit dem Titel »Der Papierkorb der Geschichte« ist zu großen Teilen am 11. August 2012 in der WELT erschienen [hier]. Darauf weist im Jahrbuch nur eine Fußnote hin. Schusters Nachfolger im Amt, Michael Eissenhauer, hat diesen Text am 28. August 2012 an alle Mitglieder des Verbandes Deutscher Kunsthistoriker verschicken lassen [hier], um deren Protesten zu begegnen.

Durch den Abdruck jetzt wurde er in einen Rang erhoben, der über den Tag hinausweist: er ist neben der Pressedokumentation nicht nur der einzige Beitrag im offiziellen Jahrbuch zur Auseinandersetzung, die das Jahr 2012 geprägt hat. Er bekommt durch die Einleitung auch geradezu programmatische Bedeutung.

Deshalb soll gezeigt werden, wie dieser Kronzeuge der Stiftungspläne argumentiert. Ich habe einiges, was Schuster von renommierten Fachleuten zitiert, im Original überprüft: Zitate von Willibald Sauerländer, Neil MacGregor und Horst Bredekamp. Am Ende versuche ich, das ganze mit Schopenhauer etwas einzuordnen.

Zu den Versuchen Schusters seit 1999, die Gemäldegalerie vom Kulturforum zu verdrängen und seinem Scheitern 2006 →mehr in der Chronik.


Eine Übersicht:

→ Zitat von Horst Bredekamp
→ Zitat von Willibald Sauerländer
→ Zitat von Neil MacGregor
→ Namedropping: Kaiser-Friedrich-Museums-Vereins
→ Schuster und Schopenhauers »Kunst, recht zu behalten«


Zitat von Horst Bredekamp

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HU-Pressefoto:
Barbara Herrenkind

Schusters wunder Punkt, wie auch der der anderen Stiftungsverantwortlichen, ist die Forderung: »Erst ein Neubau, danach dann der Umzug der Gemälde an die Museumsinsel«. Damit sollte sichergestellt sein, dass die Alten Meister immer sichtbar bleiben und eine Depotverbannung für Jahre von großen Teilen verhindert wird. Schuster »argumentiert« dagegen [S. 207]:

Bis man alle befürchteten Hindernisse des Lebens erst einmal aus dem Weg geräumt hat, ist das Leben oft schon vorbei.

Das entspricht in der Argumentationsqualität der Floskel von Hermann Parzinger, dem Präsidenten der Stiftung, in dieser Zeit [hier]:

Wer alles auf einmal haben will, wird gar nichts bekommen.

Dann postuliert Schuster Unterstützung durch einen großen Namen:

Für diese Rochade, wenn man die Alten Meister denn wirklich wieder an dem ihnen einzig angemessenen Ort auf der Berliner Museumsinsel haben will, muss man mit dem Wort von Horst Bredekamp, dem wirklich ortskundigen Ordinarius für Kunstgeschichte der Humboldt-Universität in der Mitte Berlins, für diese Rochade muss man ins Risiko »springen«.

Diese Formulierung greift sein Nachfolger Michael Eissenhauer schnell auf. In der Leipziger Volkszeitung/Dresdner Neueste Nachrichten vom 27.8.2012 zitiert Johanna di Blasi aus einem Gespräch:

[Die Alten Meister] für »einen begrenzten und klar definierten Zeitraum« ins Depot zu stellen, hält Generaldirektor Eissenhauer für zumutbar. Er fühle sich durch einen der renommiertesten Kunsthistoriker, Horst Bredekamp, bestärkt, der sich früh in die Debatte einschaltete und sagt: »Die Museen haben in ihrer nunmehr fast 200-jährigen Geschichte immer dann gewonnen, wenn sie ins Risiko hineingesprungen sind.«

Was soll der Leser denken? Doch, dass auch Horst Bredekamp sagt: ›Um überhaupt den Umzug mit Neubau an der Insel hinzubekommen, muss man jetzt ausziehen, sonst wird das nie etwas.‹

Was hat Horst Bredekamp aber tatsächlich gesagt? Schuster und Eissenhauer geben keinen Hinweis, wo ihre Zitate herstammen. Zu »Bredekamp« und »Risiko« ist rein gar nichts zu finden, was auch nur im Entferntesten mit Berliner Museen zu tun haben könnte. (Eine theoretische Möglichkeit sind noch Radio- oder Fernseh-Interviews, die nicht auf den Internetseiten der Sender in Textform wiedergegeben sind). Allein das von Schuster als wörtliches Zitat gekennzeichnete Wort »springen« hat Bredekamp in einem Tagesspiegel-Interview vom 16.7.2012 mit Christiane Peitz benutzt [hier]. Das Interview ist auch in der Dokumentation im Jahrbuch 2012 nachzulesen [S. 155]. Im Tagesspiegel liest man:

Bredekamp: Die Museumspolitik der Stiftung Preußischer Kulturbesitz hat viele Jahre in einer Weise mit Mut und visionärem Zug Urbanistik betrieben, die ihresgleichen sucht. Dass Berlin heute so attraktiv ist, verdankt die Stadt nicht zuletzt diesem Mut.

Peitz: Sie meinen die Sanierungen auf der Museumsinsel und die Schloss-Pläne mit dem Humboldt-Forum?

Bredekamp: Ich meine auch die vielen kleinen Schritte, die alle mit großer Skepsis begleitet wurden: Die Einrichtung des Foto-Museums, den Erwerb der Mode-Sammlung Richter, die Lösung für die Flick-Collection etc. Im Konfliktfall hat die Stiftung immer gesagt: Wir springen. Es befremdet mich immer wieder, dass die Öffentlichkeit das zum Teil nicht honoriert.

That’s all. Nichts weiter. Kein Wort zu Schusters Rochade.

Zusätzlich verschweigt Schuster einen elementar wichtigen Satz, der seiner Unterstellung diametral entgegen steht:

Peitz: Warum haben Sie keine der beiden Petitionen unterzeichnet?

Bredekamp: Selbstverständlich unterstreiche ich die Gründe, die für die weitere Sichtbarkeit der Gemäldegalerie sprechen. Dennoch habe ich nicht unterschrieben, weil die Aufrufe massiv für den Verbleib der Gemäldegalerie auf dem Kulturforum genutzt werden.

Bredekamp teilt also den Inhalt von Petition und Offenem Brief. Er lehnt die geplante Depotverbannung von Alten Meistern ab, wenn er die Gründe unterstreicht, die für den Erhalt der Sichtbarkeit der Gemäldegalerie sprechen. Er zeigt sich also als Gegner des vorzeitigen Auszugs – alles sehr sanft formuliert, um der Stiftungsleitung dabei nicht weh zu tun.

Zitat von Willibald Sauerländer

Carl Hanser Verlag
© Carl Hanser Verlag

Schuster schätzt den großen Münchner Kunsthistoriker Willibald Sauerländer, geboren 1924, offensichtlich sehr. Er nennt ihn »den verehrenswürdigen Doyen der Kunstgeschichte« [S. 195]. Wie geht er mit Prof. Sauerländers wunderbarem Artikel »Rettet die Gemäldegalerie« aus der Süddeutschen Zeitung vom 5.7.2012 um [Dokumentation S. 137]?

Schuster erwähnt, dass die 1998 am Kulturforum eröffnete Gemäldegalerie nach Meinung von Kennern für Gemälde »wie ein Maßanzug« passe und fährt fort [S. 186]:

Einzig Willibald Sauerländer, der nun wie inzwischen fast alle Vertreter der kunsthistorischen Zunft für den Verbleib der Gemäldegalerie auf dem Kulturforum plädiert, spricht in der Süddeutschen Zeitung von »einer vielleicht nicht sehr spannungsvollen« Präsentation der Galerie.

Das, neben anderem, nutzt Schuster, um zu begründen, warum es viel zu viele Bilder in der Gemäldegalerie zu sehen gebe. Aber was hat Sauerländer geschrieben [S. 137/138]?

Hier sind die annähernd 2000 Gemälde europäischer Meister vom Mittelalter bis ans Ende des 18. Jahrhunderts in einer vielleicht nicht sehr spannungsvollen, aber ausgewogenen und ruhig ausgeleuchteten Präsentation zu sehen.  (…)

Diese Sammlung mit ihren annähernd 2000 Gemälden, von denen kaum eines verzichtbar ist, bildet ein kunsthistorisch komponiertes Ganzes, das sich nicht auflösen lässt, ohne seinen Sinn zu zerstören.

Das klingt ganz anders als in Schusters Zuspitzung. Und Sauerländer plädierte überhaupt nicht für den Verbleib am Kulturforum. Im Gegenteil sagte er:

Viele von uns haben nicht verstanden, warum im Augenblick des Falls der Berliner Mauer die Planungen und Arbeiten am Kemperplatz nicht eingestellt und stattdessen durch Maßnahmen auf der Insel eine Heimkehr der Bilder in die Wege geleitet wurde.  (…)

Nein, die Hoffnung auf die Rückkehr der Gemälde auf die Insel braucht und soll nicht aufgegeben werden. Aber ihre Verwirklichung ist erst dann öffentlich und bürgerlich moralisch vertretbar, wenn durch einen Neubau neben der Museumsinsel die Räume für eine angemessene Präsentation des Ganzen zur Verfügung stehen.

»Erst ein Neubau neben der Museumsinsel« – Dieser besonnenen Forderung von Willibald Sauerländer, die ja auch die Forderung der Harvard-Petition und die der »kunsthistorischen Zunft« im Offenen Brief ihres Verbandes ist, hat Schuster argumentativ nichts entgegenzusetzen, genausowenig wie die Stiftungsverantwortlichen Parzinger, Eissenhauer und Lindemann. Deshalb musste den Protestierenden wie hier dem »verehrungswürdigen Doyen der Kunstgeschichte« das Wort im Mund herumgedreht werden: man musste sie als Leute hinstellen, die sich jeder Veränderung versperren.

Zitat von Neil MacGregor

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CC-BY Wikimedia

Neil MacGregor ist seit 2002 weltberühmter Direktor des British Museum in London, davor war er 15 Jahre lang Direktor der Gemäldesammlung der »National Gallery« in London. Er hatte zur Eröffnung des Bode-Museums 2006 einen begeisterten Artikel für die F.A.Z. geschrieben [hier]. Schuster zitiert daraus eine Randbemerkung [S. 208]:

Durch die Rochade wird sich vollenden, was Neil MacGregor bereits 2006 anlässlich der Wiedereröffnung des Bode-Museums prophezeite: Wenn in diesem Museum von Bode die Gemälde und die Skulpturen wieder vereint sein werden, dann wird dieses wieder ein »Weltwunder« sein.

Das soll nahelegen: wir vollenden jetzt endlich, was Neil MacGregor schon 2006 prophezeit hat. Aber prophezeit, vorhergesehen, hat Neil MacGregor das überhaupt nicht. Er hat von der Mischung von Gemälden, Skulpturen und Kunstgewerbe im Irrealis gesprochen, nach dem Motto: ›Schön wär’s, aber leider nicht zu machen‹. Denn er wusste, dass das im Bode-Museum allein nicht möglich war. Deshalb hielt er es ausdrücklich für vernünftig, die Gemäldegalerie am Kulturforum zu lassen. Er stellte sich damit gegen die – am Widerstand der Museumsleute gescheiterte – Absicht von Schuster, Gemälde und Skulpturen in komprimierter Form zusammen im neu eröffneten Bode-Museum zu zeigen:

Gleichwohl hatten viele von uns gehofft, daß die bedeutenden Schätze der Gemäldegalerie und des Kunstgewerbemuseums nun weitestmöglich mit den Skulpturen kombiniert werden könnten. Auf diese Weise würde zweifellos ein Weltwunder entstehen. (…) Das Bode-Museum konnte nicht alle drei Sammlungen aufnehmen, und in der Umgebung der Museumsinsel wird auf Jahre hinaus kein Platz zur Verfügung stehen. Daher wurde vernünftigerweise beschlossen, die Sammlungen an ihrem jeweiligen Ort zu belassen.

Wenn also die Autorität von Neil MacGregor für etwas spricht, dann für die Argumente der Gegner von Schuster und der Stiftungsleitung.

Namedropping: Der Kaiser-Friedrich-Museums-Verein

Ein letztes Beispiel, wie Peter-Klaus Schuster seine schwache argumentative Position durch Nennen von klangvollen Namen zu stützen versucht: Im letzten Absatz seines Aufsatzes erwähnt er den Kaiser-Friedrich-Museums-Verein, den von Bode gegründeten Förderverein von Gemäldegalerie und Skulpturensammlung [S. 209]:

Je mehr Bürger den Alten Meistern ihre jetzt so sehr bekundete Treue halten und sich mit Nachdruck für das Bode-Museum und seinen Ergänzungsbau einsetzen, desto kürzer wird dieser Weg sein. Ein hoffnungsvolles Zeichen hierfür kommt vom Kaiser Friedrich-Museums-Verein.

Als Leser denkt man natürlich, der Verein unterstütze die Leitung der Stiftung bei den damals aktuellen Umzugsplänen. Dazu schreibt Schuster aber gar nichts, stattdessen erwähnt er die große Geschichte des Vereins und fährt dann fort:

Zur festlichen Wiedereröffnung des Bode-Museums bat der Verein, für die Korrespondenz mit seinen Mitgliedern dem heutigen Namen des Museums seinen einstigen historischen Namen hinzufügen zu dürfen. Dieser Wunsch wurde freundlich gewährt: »Bode-Museum, ehemals Kaiser Friedrich-Museum«.

Mehr folgt nicht. Wo ist da ein hoffnungsvolles Zeichen? Und wofür? – Es geht Schuster offensichtlich nur darum, Unterstützung durch eine klangvolle Institution zu insinuieren.

Dabei hat der Kaiser-Friedrich-Museums-Verein immer eine ganz klare Gegenposition zu Schusters Absichten bezogen, sowohl 2006 als auch 2012. Er hat ganz klar gemacht, dass ein Umzug an die Museumsinsel nur in Frage kommt, wenn dort der nötige Platz bereitsteht: »Umzug nur von Nagel zu Nagel«. Das wurde 2012 gegenüber den Vereinsmitgliedern, der Stiftungsleitung und gegenüber der Politk in Person von Staatsminister Neumann vertreten.

Schuster und Schopenhauers »Kunst, Recht zu behalten«

Generaldirektor Emeritus Prof. Dr. Peter-Klaus Schuster (kurz PKS) gilt allgemein als »brillianter Rhetoriker«. Sein Heranziehen von klangvollen Namen entspricht einem Rezept, das Arthur Schopenhauer in seiner »Kunst, Recht zu behalten« formuliert hat. Dort hat Schopenhauer Kunstgriffe zusammengetragen, mit denen man eine in der Sache verlorene Auseinandersetzung mit Tricks vielleicht noch herumreißen kann. Schusters Verfahren folgt dabei Schopenhauers »Kunstgriff 30«:

Das »argumentum ad verecundiam«. Statt der Gründe brauche man Autoritäten nach Maßgabe der Kenntnisse des Gegners.

Wenn man, wie offensichtlich Schuster, die Kenntnisse der Gegner gering schätzt, rät Schopenhauer Folgendes:

Allein für das Vulgus gibt es gar viele Autoritäten die Respekt finden: hat man daher keine ganz passende, so nehme man eine scheinbar passende, führe an, was Einer in einem andern Sinn, oder in andern Verhältnissen gesagt hat . . .

Schuster weiß offensichtlich genau, was er tut. Er läßt sich sorgfältig immer eine Hintertür offen: er behauptet nie explizit Unterstützung für die eigene Position. Da könnte man ihm ja einen Fehler nachweisen. Er legt die Unterstützung nur nahe, gegen den Sinn der ursprünglichen Aussage. Exemplarisch zeigt sich das am Bredekamp-Zitat: Wörtlich zitiert wird nur das Wort »springen«. Der Rest ist eben seine, Schusters, Interpretation. Damit kann er im Zweifelsfall immer sagen, er habe nur Schlüsse aus Bredekamps Aussage gezogen; nie habe er behauptet, Prof. Bredekamp verteidige das Eindampfen von Gemälden und Skulpturen im Bode-Museum für Jahre.

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