Ein Jahr nach der Richtungsentscheidung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vom August 2013 ist im September 2014 immer noch alles offen. [Am 13. November 2014 wurde überraschend die gesicherte Finanzierung des Neubaus →bekannt gegeben!]
In der Diskussion sind der von der Stiftung bevorzugte Bauplatz an der Sigismundstraße (A) und der von vielen Berlinern und auch von Kulturstaatsministerin Grütters bevorzugte Bauplatz vorne an der Potsdamer Straße (B). Gegen diesen werden immer schwierige Eigentumsverhältnisse und architektonische Bedenken vorgebracht. Betrachtet man auf folgender Karte die Eigentumsverhältnisse und die Grundstücksgrößen, so relativieren sich diese Bedenken stark.
Die Karte stammt aus der Senatsbroschüre: »Kulturforum (1) Konzept zur Weiterentwicklung« Senatsbeschluss und Informationen zu Geschichte, Planung und Konzeption (Juni 2004).
Sie wurde von mir mit den diskutierten Grundstücken und mit Beschriftungen erweitert.
Die Grenze des Grundstücks an der Potsdamer Straße (B) ist nicht exakt. Klar ist aus der Variantenuntersuchung des BBR, dass die kleinen grün und hellblau bezeichneten Grundstücke im Süden von B dazu gehören, in der Legende als »privat« und »Evangelische Kirche« ausgewiesen. Ebenso hat das BBR die Grundstücksgrößen angegeben (A: 6.500 qm, B: 10.000 qm). Ich habe deshalb versucht, die Fläche B im diesem Verhältnis zu A darzustellen.
PDF der Broschüre: → hier (Karte auf S. 47)
Mehr zum Senats-Masterplan Kulturforum: → hier (unter Downloads weitere informative Broschüren)
Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte sich im August 2013 für das kleine Grundstück (A) an der Sigismundstraße hinter der Neuen Nationalgalerie →entschieden. Aber dieser Wunsch stieß auf viel Gegenwind, denn ein Neubau an der Potsdamer Straße (B) böte mehr Platz für die Kunst, könnte aber auch zusätzlich endlich die seit Jahrzehnten beklagte Ödnis des Kulturforums heilen. Über ein Jahr später ist immer noch alles offen.
Der Präsident der Stiftung Hermann Parzinger mahnte deshalb am 15. September 2014 in einem →DPA-Gespräch an, dass nun bis zum Ende dieses Jahres endlich eine Entscheidung getroffen werden müsse, wie es weitergehen solle, allein schon, um den selbstlosen Spender Heiner Pietzsch nicht noch weiter hinzuhalten. Die Entscheidung ist Aufgabe der Haushalts- und Kulturpolitiker des Bundestages, vor allem aber der Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Sie bekleidet dieses Amt seit Ende des vorigen Jahres, nachdem sie sich auch vorher schon jahrelang als Vorsitzende des Kulturausschusses des Bundestages mit der Berliner Museumspolitik beschäftigt hat.
Stiftungspräsident Hermann Parzinger kann mit beiden möglichen Bauplätzen leben. Er wird dazu folgendermaßen zitiert:
»Wir sind offen für beides und arbeiten mit der Politik an der bestmöglichen Lösung für die Kunst und für den Ort«, sagte Parzinger. »Beide Lösungen haben Vor- und Nachteile.« So sei ein Neubau an der Sigismundstraße tatsächlich räumlich begrenzter, aber dadurch auch kostengünstiger.
An der Potsdamer Straße hätte man seinen Worten zufolge mehr Platz, allerdings werde es mit den Grundstücksverhältnissen und dem Bebauungsplan dort schwieriger. Zudem könne man zwischen die Neue Nationalgalerie von Ludwig Mies van der Rohe und die von Hans Scharoun entworfene Berliner Philharmonie nicht ein weiteres mächtiges Gebäude bauen.
»Das würde die Ansammlung von Solitären fortsetzen«, so Parzinger. »An der Potsdamer Straße ginge nur eine Lösung, die sich harmonisch in das Ensemble einfügt und auch die nötige städtebauliche Qualität liefert, um dem Ort eine Mitte zu geben.«
Schaut man auf die Karte, relativieren sich die Bedenken gegen den Standort an der Potsdamer Straße doch ziemlich:
- Die Fläche allein im öffentlichen Besitz an der Potsdamer Straße (von B) ist größer als die ganze Fläche an der Sigismundstraße (A), nämlich 80% = 8.000 qm laut Variantenuntersuchung des BBR, im Vergleich zu den 6.500 qm insgesamt an der Sigismundstraße.
- Zudem stellt sich mir die Frage, ob nicht noch sehr viel mehr Platz an der Potsdamer Straße (B) zur Verfügung steht als die in der Variantenuntersuchung genannten 10.000 qm. Die Karte lässt das vermuten, zumal ja jetzt die Scharoun-Straße im Norden vor dem Kammermusiksaal zurückgebaut werden soll und fast alle Parkplätze am Kulturforum entfernt werden sollen [→hier].
- Problematisch könnte nur die kleine grün dargestellte Teilfläche von B sein, geschätzt maximal 1.500 qm groß. Sie ist im Besitz von Herrn Eugen Block (Steakhauskette Block House, Nobelhotel Grand Elysée in Hamburg) [→hier]. Aber diese Fläche müsste ja gar nicht bebaut werden. Es kann ja auch sinnvoll sein, wenn der Museumsneubau eine gewisse Distanz zum Mies-van-der-Rohe-Bau wahrt und wenn die Sicht auf die Matthäikirche von der Potsdamer Straße frei bleibt.
Zu den architektonischen Bedenken wegen der Bauten Scharouns und Mies van der Rohes:
Ein Museumsneubau an der Potsdamer Straße läge nicht zwischen Mies van der Rohes Neuer Nationalgalerie und Hans Scharouns Philharmonie, sondern zwischen der Neuen Nationalgalerie und dem Kammermusiksaal Edgar Wisniewskis. Der Kammermusiksaal ist ja schon eine groß aufgeblasene Verfälschung von Scharouns ursprünglicher, viel bescheidenerer Idee und verdeckt als mächtiges Gebäude jetzt Scharouns Philharmonie, wenn man von Mies‘ Neuer Nationalgalerie schaut. Da kann ein weiterer Solitär so viel von Scharoun nicht kaputt machen, sondern würde eher den Wisniewski-Bau wohltuend relativieren.
Erhellend ist es, Scharouns letztes Konzept des Kulturforums von 1964 zu betrachten und mit der Realität zu vergleichen (auch aus →obiger Broschüre, S. 15):
Da kommen einem die architektonischen Bedenken doch ziemlich an den Haaren herbeigezogen vor:
- Wisniewskis riesiger Kammermusiksaal verstellt jetzt Scharouns Philharmonie nach Süden. Das winzige Gebäude links vor der Philharmonie war Scharouns Vorstellung vom Kammermusiksaal.
- Wisniewskis Musikinstrumentenmuseum verstellt jetzt Scharouns Philharmonie nach Osten.
- Rolf Gutbrods abschreckendes Kunstgewerbemuseum verstellt jetzt Scharouns Philharmonie nach Westen.
- Dort, wo jetzt ein Museum der Moderne entstehen könnte, hatte Scharoun sein Gästehaus vorgesehen. Es wäre selbst ein mächtiges Gebäude geworden, das der Neuen Nationalgalerie sehr nahe gerückt wäre.
- (Das rote Band ist übrigens ein Autobahnstück der damals geplanten Westtangente, die ins Umfeld von Scharouns schrecklichem stadtplanerischem Konzept der autogerechten Stadt gehörte.)
Zu den Bedenken wegen des immer noch fehlenden Bebauungsplanes:
2005 war der Beschluss zu einer zügigen Durchführung eines Bebauungsplanverfahrens getroffen worden, noch zur Zeit von Senatsbaudirektor Stimmann, dem die Zukunft des Kulturforums am Herzen lag. Das Verfahren ist aber leider im Sande verlaufen. Denn heute findet man auf einer →Seite der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz:
Die aktuelle, gemeinsam mit den Anrainern durchgeführte Analyse hat zu der Erkenntnis geführt, dass die im Masterplan vorgesehenen ergänzenden Bauten nur langfristig realisierbar sind und im Moment wirtschaftlich nicht darstellbar sind. Das Bebauungsplanverfahren wird demnach derzeit nicht vordringlich weiter bearbeitet.
Aktuelle Informationen zum Bebauungsplanverfahren werden bereit gestellt, sobald für die Fortführung des Bebauungsplanes Bedarf besteht.
(Hat der wichtigste Anrainer am Kulturforum, die »Stiftung Preußischer Kulturbesitz«, diesen Beschluss eigentlich mitgetragen?)
Die jetzige Senatsbaudirektorin Regula Lüscher unterstrich noch im April 2014 in der Akademie der Künste, ihre Behörde werde nichts unternehmen, solange keine Entscheidung getroffen ist. Sie wurde so zitiert [→hier]:
Ein Masterplan auf Vorrat sei sinnlos, solange die Fragen neuer Musemsbauten, möglicher Standorte oder des Umzugs der Gemäldegalerie nicht geklärt seien.
Um so wichtiger ist es, dass nun endlich entschieden wird. Dann ist hoffentlich der dringende Bedarf da.
Nachtrag 29.9.: Alle Verantwortlichen weichen aus – Land Berlin gibt Grundstücke gerne
Der Tagesspiegel Berlin hat das Thema am 26.9.2014 in einem →Artikel von Christiane Peitz aufgegriffen. Alle politisch Verantwortlichen des Bundes wurden gefragt, wie es weitergehen werde: es gab nur ausweichende Antworten (vom Amt der Kulturstaatsministerin, vom Kulturausschuss, von den kulturpolitischen Sprechern der Koalitionsparteien).
Eine klare sachdienliche Aussage kam allerdings von der Kulturverwaltung des Landes Berlin, das an der Entscheidung nicht beteiligt ist:
„Berlin unterstützt das Projekt von Herzen“, erklärt Günter Kolodziej, Sprecher der Kulturverwaltung. „Wann immer es uns möglich war, haben wir für die Bauvorhaben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Grundstücke entgeltfrei zur Verfügung gestellt und werden das auch in diesem Fall gerne tun. Baurechtliche und logistische Unterstützung ist ohnehin selbstverständlich.“ Die Grundstücke am Kulturforum sind teilweise in Landesbesitz. „Von uns aus könnte es bald losgehen.“
Nachtrag 16.10.: Museumsbau privat finanzieren und bauen – Stiftung mietet?
Am 16.10.2014 berichtete Stiftungspräsident Parzinger in einem →Tagesspiegelgespräch mit Nicola Kuhn, dass man »nie zuvor so nahe an einer Lösung« gewesen sei. Man denke zusammen mit Staatsministerin Grütters an eine Öffentlich-Private-Partnerschaft: Das Gebäude wird dabei privat finanziert und gebaut und dann von der Stiftung gemietet. Diese Idee werde vom Finanzministerium geprüft.
Anmerkung: Das neue Bildungsministerium an der Nähe des Hauptbahnhofs wurde gerade nach diesem Modell errichtet [→Morgenpost].
Präsident Parzinger hofft, dass der Neubau in Gang gekommen sei, wenn die Neue Nationalgalerie nach der Sanierungsphase wieder eröffne. Diese beginnt im Januar 2015 und soll etwa 3 Jahre dauern.
13.11.2014 Der Neubau ist beschlossen!