200 Millionen für Moderne-Museum am Kulturforum Berlin, aber wo dort?

Überraschend hat der Haushaltsausschuss des deutschen Bundestages am 13.11.2014 beschlossen, 200 Millionen Euro für Neubau eines Museums der Moderne am Kulturforum Berlin in den nächsten Jahren zur Verfügung zu stellen. Über den Standort dort ist noch keine Entscheidung getroffen worden. Aber Kulturstaatsministerin Monika Grütters rammt mächtige Pflöcke für den prominenten Standort vorne an der Potsdamer Straße ein, die man nur schwer wieder wegräumen kann. Ihrer Arbeit vor allem ist diese Entscheidung zu verdanken.

Eine Übersicht:

→ Neubau an der Potsdamer Straße oder an der Sigismundstraße?
→ Was sagen die Museumsleute zum Standort Potsdamer Straße?
→ Etwas zu wichtigen Sammlern, der Finanzierung des Baus sowie zum Zeitplan
→ Schlusswort

Neubau an der Potsdamer Straße oder an der Sigismundstraße?

In der Diskussion für den Standort des neuen Museums sind das Grundstück hinter der Neuen Nationalgalerie (A) an der Sigismundstraße und die viel größere Fläche vorne an der Potsdamer Straße (B). Mehr Informationen dazu gab es im →Blogbeitrag vom 16.09.2014. Daraus hier noch mal die Grafik mit Hinweisen zu den Eigentumsverhältnissen:

Kulturforum_Eigentuemer_9-2002_AB

Die Karte stammt aus der Senatsbroschüre: »Kulturforum (1) Konzept zur Weiterentwicklung« Senatsbeschluss und Informationen zu Geschichte, Planung und Konzeption (Juni 2004). Sie wurde von mir mit den diskutierten Grundstücken und mit Beschriftungen erweitert. [PDF der Broschüre mit Karte auf S. 47: → hier]

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Hermann Parzinger, zu der die Staatlichen Museen gehören, machte im Deutschlandradio Kultur klar (s.u.):

Die Frage des Standorts ist noch überhaupt nicht entschieden.

Aber die →Presseerklärung der Bundesregierung zum Finanzierungsbeschluss sagt klipp und klar:

Der Neubau soll auf einem Grundstück an der Potsdamer Straße vor der Matthäuskirche entstehen und voraussichtlich 2020 fertiggestellt sein.

Das bekräftigte Kulturstaatsministerin Grütters in Interviews mehrfach. In »Kultur heute« des Deutschlandfunks fragte Karin Fischer nach dem Grundstück zwischen Mies van der Rohes Nationalgalerie und Hans Scharouns Philharmonie. Monika Grütters antwortete [Audio bei 4:00, Text]:

Ja, es gibt zwei Gründe, warum ich diesen Standort Potsdamer Straße jetzt erkämpft habe. Erstens können wir da ein wesentlich größeres Haus hinstellen. 14.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, mit vielleicht ein bisschen Luft nach oben sogar, sind dort möglich und geplant, während an der Siegesmundstraße im Rücken der Nationalgalerie nur 9.000 Quadratmeter hätten entstehen können. Aber das Wichtigere ist die städtebauliche Frage, endlich diesen Platz, das Kulturforum, zu dem zu machen, was Scharoun sich damals vorgestellt hat: dass es einen Platzcharakter erhält, indem man an der einen Seite jetzt auch eine räumliche Verbindung schafft. Das ist, glaube ich, ganz wichtig und auch der eigentliche Durchbruch in dieser Frage, denn die ist wirklich jahrzehntelang in Berlin ergebnislos hin- und hergewälzt worden.

Genauso argumentierte sie in Gesprächen mit der →Berliner Morgenpost und der →Berliner Zeitung.

Im Gegensatz zu ihr sprach sich der Berliner Kulturstaatssekretär Renner in der →Berliner Zeitung klar für den kleinen Standort Sigismundstraße aus:

Frage: Monika Grütters hat sich für einen Bau an der Potsdamer Straße ausgesprochen. Stimmen Sie dem zu?

Ich verstehe, dass man den Stiftern und ihrem Wunsch nach möglichst hoher Visibilität entgegenkommen möchte. Dennoch gebe ich zu bedenken, dass alleine die ungelösten Grundstücksfragen an der Potsdamer Straße für einen Neubau an der Sigismundstraße sprechen.

Frage: Wieso?

Das Grundstück gehört bereits der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und dem Land Berlin. Man könnte zügig mit Ausschreibung, Planung und Bau loslegen. Ich würde mich freuen, wenn die Geschwindigkeit, welche die Haushälter des Bundes dem Projekt verliehen haben, nicht wieder in Diskussionen über Machbarkeit verloren geht.

Allerdings hat Frau Grütters klug vorgesorgt. Schon vor zwei Monaten hat sie sich mit dem zuständigen Stadtentwicklungssenator Michael Müller, dem zukünftigen Regierenden Bürgermeister, abgestimmt. Aus dem Gespräch mit Kerstin Krupp in der →Berliner Zeitung:

Frage: Sie haben sich für einen Bau an der Potsdamer Straße ausgesprochen. Ein Teil des Grundstücks ist im Besitz des Hamburger Kaufmanns Eugen Block, ein anderer der Evangelischen Kirche. Können die offenen Eigentumsfragen das Projekt gefährden?

Zu den Grundstücksfragen sprach ich mit Stadtentwicklungssenator Michael Müller, der für die Bereitstellung der Berliner Grundstücke und diese Neugestaltung des Kulturforums Entgegenkommen und Sympathie gezeigt hat.

Und in der →Berliner Morgenpost fragte Stefan Kirschner nach den Standort Potsdamer Straße:

Frage: Noch ist das Areal als Grünfläche ausgewiesen.

Ich habe Anfang September mit Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller darüber gesprochen, auch er ist für eine Bebauung an dieser Stelle.

 

Was sagen die Museumsleute zum Standort Potsdamer Straße?

Der Direktor der Nationalgalerie und zukünftige Hausherr des Neubaus, Udo Kittelmann ist hellauf begeistert. Er sagte im →Tagesspiegel:

Dass nun hier gebaut werden soll, ist fantastisch. Das Baugrundstück zwischen Mies van der Rohe und Scharoun ist international einer der prominentesten Museumsstandorte.

Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, Hermann Parzinger, war etwas zurückhaltender. Am Abend des 13.11. sagte er im Deutschlandradio Kultur im Interview mit Eckhard Roelcke [Audio bei 3:30, Zusammenfassung]

Die Frage des Standorts ist noch überhaupt nicht entschieden. (…) Das Gelände an der Potsdamer Straße hat den Nachteil, dass der Bebauungsplan vom Land Berlin geändert werden muss. Das ist als Grünfläche vorgesehen. Es hat den Vorteil: Es ist größer und man kann dort natürlich großzügiger bauen. Die Sigismundstraße gehört der Stiftung und dem Land Berlin anteilig. Sie hat den Nachteil: Sie ist etwas kleiner. (…)

Insofern hat jeder Standort seine Vor- und Nachteile. Wir haben am Anfang ein bisschen die Sigismundstraße präferiert, weil: wir sind ja bescheiden. Man hat damals 130 Millionen kalkuliert, für die Potsdamer Straße 180 Millionen. Aber klar ist doch: wenn man größer und mit mehr Fläche bauen kann, die Sammlung noch bedeutender zeigen kann, dann muss uns das ja nur recht sein.

Auch die →taz hat ihn nach dem Standort Potsdamer Straße gefragt:

Allerdings sieht der Bebauungsplan an dieser Stelle eine Grünfläche vor, und ein Teil der Fläche ist in Privatbesitz. Parzinger zeigte sich gegenüber der taz aber zuversichtlich, dass man diese Hindernisse schnell aus dem Weg räumen könne.

Etwas beängstigend ist nur, dass Präsident Hermann Parzinger in Deutschlandradio Kultur wie auch in der →Presseerkärung der Stiftung wieder vom Kulturforum als »Museumsinsel der Moderne« spricht, drei andere Museen dort souverän ignorierend: die Gemäldegalerie mit ihrer Weltklassesammlung Alter Meister, das Kupferstichkabinett mit seinem riesigen Weltklassebestand vor allem älterer Grafik und das Kunstgewerbemuseum mit seiner außerordentlichen Mittelaltersammlung mit dem Welfenschatz im Mittelpunkt. Dabei kann ja gerade die Vielschichtigkeit das Kulturforum zu etwas Außerordentlichem machen.

Etwas zu wichtigen Sammlern, der Finanzierung des Baus sowie zum Zeitplan

Drei wichtige Sammler und Stifter

Die wichtigen Sammler Heiner und Ulla Pietzsch, Erich Marx und Egido Marzona sind begeistert.
Längere euphorische Statements der drei Sammler kann man in der →Presseklärung der Stiftung lesen.

Der →Tagesspiegel fasste zusammen:

»Unser sehnlichster Wunsch geht in Erfüllung«, so das Ehepaar Pietzsch. Erich Marx äußert sich ebenfalls enthusiastisch über die Aussicht, »an der Potsdamer Straße eine wahrhaft dauerhafte Bleibe« für seine Sammlung zu finden. Egido Marzona als dritter großer Sammler der Nationalgalerie spricht begeistert von »weiteren Überlegungen«, die er nun anstellen werde.

Monika Grütters »sei glücklich, dass es nun eine verbindliche Vereinbarung mit dem Sammler Erich Marx gebe.«

Damit ist jetzt wohl die Sammlung Marx, aus der heraus ja immer wieder mal Werke verkauft wurden, für die Staatlichen Museen gesichert.

 

Bau in öffentlich-privater Partnerschaft

Das Museum soll in offentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) gebaut werden. Monika Grütters sagte im Gespäch mit der →Berliner Morgenpost:

Wenn der Staat selbst anfängt zu bauen, dann ist das wahnsinnig mühsam, umständlich, teuer und langwierig. Wir wollen das Projekt zusammen mit der ÖPP, einer Ausgründung aus dem Finanzministerium, realisieren. Die haben das neue Bundesbildungsministerium gebaut, dort wo früher der Bundespressestrand war, und das Haus der Zukunft, am Uni-Klinikum Schleswig-Holstein sind sie dran. Das sind Profis, die sind dafür bekannt, dass sie pragmatisch, zügig und schnell arbeiten. Aber auch Berlin muss mitspielen und die Grundstücksfrage und das Baurecht klären, parallel dazu kann dann die Ausschreibung stattfinden.

Der Berliner Kulturstaatssekretär Tim Renner verdeutlichte in der →Berliner Zeitung, dass der öffentliche Teil der ÖPP die Erstellung des Baus, der private Teil die Stiftung der Werke durch die Sammler sei:

Die Sammler müssen sich nicht am Bau des Museums beteiligen, sondern wir als Bund finanzieren jetzt das Haus, und die Sammler bringen die Bilder ein. (…)

Vorher gab es die Debatte darüber, wie eine Private Public Partnership aussehen kann. Jetzt ist der gordische Knoten durchschlagen. Auf der einen Seite sind die Sammler, die ihre Werke stiften und uns so gemeinsam mit den Werken, die im Depot der Nationalgalerie lagern, ein Museum der Moderne ermöglichen. Auf der anderen Seite gehen wir als Bundesrepublik in Vorleistung und bauen das Museum selbst. Das sind jetzt klare Verhältnisse. Der private Teil ist mit der Stiftung der Bilder abgehakt.

Dies lässt also vermuten: Die Bundesrepublik finanziert den Museumsbau selbst. Der Bau kann aber wohl auf privatrechtlichem Weg und damit viel schneller erfolgen, weil die privaten Sammler über ihre Stiftungen quasi mit zu Bauherren geworden sind.

Bei dem →ÖPP-Bau des Bildungsministeriums war es anders: der Bau des Ministeriums wurde privat finanziert und dann an den Nutzer vermietet. Genau so stellte Stiftungspräsident Parzinger auch die diskutierte öffentlich-private Partnerschaft beim Museum der Moderne noch Mitte Oktober →im Tagesspiegel dar. Tatsächlich wird der Bau aber über Steuergelder finanziert.

 

Der optimistische Zeitrahmen

Aus der →Presseerklärung der Bundesregierung:

Es ist vorgesehen, im Zuge der ÖPP-Realisierung das EU-weite Vergabeverfahren im Jahr 2015 durchzuführen, so dass nach dessen Beendigung im Jahr 2016 der Zuschlag sowie der Baubeginn im Jahre 2017 erfolgen können. Nach einer voraussichtlichen Fertigstellung 2020 und der Übergabe an die Nationalgalerie könnte das Gebäude 2021 eröffnet werden.

 

Schlusswort

Es sieht ja richtig gut aus: Die schockierende Interims-»Lösung« für Gemäldegalerie und Skulpturensammlung im viel zu engen Bode-Museum ist schon lange abgesagt und jetzt scheint auch das Kulturforum auf dem richtigen Weg zu sein. So nahe an einer Heilung der städtebaulichen Wunde dort war man seit Jahrzehnten nicht mehr. Und auch die Sammlung Marx scheint jetzt gesichert.

Hochachtung: Frau Grütters versteht das politische Handwerk und hat den Mut, die Initiative für die Vollendung des Kulturforums zu ergreifen.

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