Museumsvisionen von Prof. Charlotte Klonk (HU Berlin)

Am 28.2.2014 war in der F.A.Z. die Schreckensvision zu lesen, die Berliner Gemäldegalerie aufzulösen und Gemälde und Skulpturen in ständig wechselnden thematischen Präsentationen an/auf der Museuminsel zu zeigen. Das forderte Frau Prof. Dr. Charlotte Klonk. Sie ist die Direktorin der Kunstgeschichtler der Humboldt-Universität Berlin und als solche Nachfolgerin von Prof. Horst Bredekamp.

Dazu habe ich am 2.3. einen Leserbrief geschrieben, der am 17.3. in der F.A.Z. abgedruckt wurde (s.u.).

F.A.Z., 28.2.2014, S. 37

F.A.Z., 28.2.2014, S. 37

In ihrem »großen Wurf« regt auch sie an, die Gemäldegalerie wieder an die Museumsinsel zu verlegen, um mit der Skulpturensammlung »ein Ensemble (…) zu schaffen, das  die Kunstbetrachtung (…) in immer neuen Konstellationen auf den Prüfstand stellt.« Auch bei ihr soll das Kulturforum Zentrum der Moderne werden, mit der Neuen Nationalgalerie als »Hausherrin«.

An jedem dieser Orte wäre demnach eine der Sammlungen Hausherrin, die zugleich je nach Bedarf zahlreiche Gäste aus den anderen empfangen könnte. Innerhalb einer solchen thematischen statt gattungshierarchischen und epochalen Aufteilung der Sammlungen könnten viele Objekte immer wieder ihren Platz tauschen, um in neuen und überraschenden Konstellationen unser Bild von ihnen und damit von der Welt zu bereichern.

Besonders erbittert haben mich ihre Nebenbemerkungen über die Mängel der Sammlung der Gemäldegalerie:

Bis heute ist in der großartigen Renaissanceabteilung auf dem Kulturforum kein Michelangelo und kein Leonardo zu sehen, geschweige denn eine Artemisia Gentileschi, eine Angelika Kauffmann oder eine Élisabeth Vigée-Lebrun.

Ihre Aussagen zum Fehlen von Angelika Kauffmann und Élisabeth Vigée-Lebrun sind – mit Verlaub gesagt – Blödsinn (s.u.). Das hätte sich leicht in der Institutsbibliothek überprüfen lassen. Die drei Malerinnen zur Renaissance zu zählen, ist auch reichlich gewagt. Wie fundiert sind die Konzepte von jemandem, der die Materie so wenig kennt?

E. Vegée-Lebrun links, A. Kauffmann 2x rechts

Raum 18: Elisabeth Vegée-Lebrun links, 2 mal Angelica Kauffmann rechts

 

Zudem gibt es einen Grundwiderspruch in ihren Vorstellungen: zuerst wird mit Multimillionenaufwand wieder eine Trennung der Museen verschiedener Epochen hergestellt. Wenn sie dann auf verschiedene Standorte verteilt sind, beginnt aber wieder das große Mixen.

Kann sich nicht schon heute jeder, der es möchte, in der Vielfalt des Kulturforums eigene der von Frau Klonk beschworenen »überraschenden Konstellationen« herstellen? Ein paar Meter Fußweg reichen dafür aus, zur Not auch nur in der Gemäldegalerie, wenn man vom Raum mit Hans Multscher und Konrad Witz zum Raum mit Angelika Kauffmann und Élisabeth Vigée-Lebrun geht und dabei am Brunnen von Walter de Maria vorbeikommt. Damit hat man ein halbes Jahrtausend in den Blick genommen.

Es wird immer deutlicher, dass eine vielstimmige Medienoffensive läuft, um das Kulturforum Berlin zu einem reinen Ort der Moderne zu machen und die Richtungsentscheidung vom August 2013 zu korrigieren: Generaldirektor Eissenhauer [1], Kulturstaatsministerin Monika Grütters [2][3][4][5][6]…, dieser Artikel von Frau Klonk, aktuell der ehemalige Generaldirektor Peter-Klaus Schuster [→Blog], …

 

Mein Leserbrief vom 2.3. dazu:

Kein modisches Spielfeld

Zum Artikel »Die Berliner Museen brauchen keine Zwischenlösung, sondern den großen Wurf« (F.A.Z. vom 28. Februar):

Charlotte Klonks Vision einer thematisch organisierten Präsentation von Gemälden und Skulpturen der Alten Meister in ständig geänderter Zusammenstellung ohne historischen Zusammenhang ist eine Schreckensvision. Sie gibt die außerordentlichen Stärken von Gemäldegalerie und Skulpturensammlung ohne Not auf: die geradezu enzyklopädische Vollständigkeit, mit der hier die abendländische Malerei- und Skulpturgeschichte von etwa 1300 bis 1800 erfahrbar gemacht wird. Bei der Malerei ist das vielleicht nur in der Londoner National Gallery in Teilen besser zu erleben. Die Skulpturensammlung in Berlin ist einzigartig.

Und wozu soll das aufgegeben werden? Etwa um zukünftigen Kuratoren das modische Spielfeld zu bieten, sich ständig als Ausstellungsmacher kreativ verwirklichen zu können, statt den Kunstwerken gerecht zu werden, die ihnen von den Bürgern anvertraut wurden?

Eine solche thematische Präsentation kann ja bei dünnem Sammlungsbestand gerechtfertigt sein. Vielleicht muss Frau Klonk deshalb die Sammlung der Gemäldegalerie kleinreden: Es sei auf dem Kulturforum kein Michelangelo und kein Leonardo zu sehen, geschweige denn eine Angelika Kauffmann oder eine Élisabeth Vigée-Lebrun.

Man fragt sich auch mit Erstaunen, wo die anderen vorhandenen großen Sammlungen am Kulturforum in ihrem Konzept bleiben, wenn denn die Neue Nationalgalerie dort Hausherrin werden soll: nämlich das Kunstgewerbemuseum, das ja wohl auch wieder die außerordentliche mittelalterliche Schatzkunst mit dem Welfenschatz im Mittelpunkt aufnehmen soll, die großartige, alle Epochen umfassende Kunstbibliothek und vor allem das Kupferstichkabinett mit seiner grandiosen, ein Jahrtausend umfassenden Grafiksammlung, darunter eine riesige Fülle von Werken Alter Meister.

Übrigens besitzt die Gemäldegalerie von Angelika Kauffmann drei Gemälde, darunter eines seit 1829, und von Élisabeth Vigée-Lebrun wurde das vielgeliebte Bild des jungen Prinzen Lubomirski 1974 erworben. Vielleicht sollte man erst einmal die Situation solide analysieren, bevor man seine Visionen darüber öffentlich macht, was alles anders werden muss.

WOLFGANG GÜLCKER, BERLIN

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