Ausstellung »Road to van Eyck« in Rotterdam (und nicht in Berlin)

Am 13.10.2012 eröffnete in Rotterdam die Ausstellung »The Road to van Eyck« (De Weg naar van Eyck) im Museum Boijmans Van Beuningen. Diese gelobte Ausstellung will zeigen, dass Jan van Eyck, der »Gründervater« der altniederländischen Malerei, gestorben 1441, nicht wie ein Ufo vom Himmel gefallen ist, sondern zu Beginn des 15. Jahrhunderts Vorläufer hatte.  Sie läuft bis zum 10. Februar 2013. Ursprüngliche Absicht war, die Ausstellung nach Rotterdam auch in Berlin zu zeigen, um sich so die immensen Transport- und Versicherungskosten zu teilen. Aber [Trouw, 13.10.12/1]:

»Rückschläge gab es auch. Die Gemäldegalerie bekam die Finanzierung nicht klar, so dass dass Museum Boijmans nun alle Kosten alleine tragen musste.«

Auch im offiziellen »Jahresbericht 2010 der Staatlichen Museen zu Berlin« steht auf Seite 16 unter »Forschung und Lehre«:

Vorbereitung der Ausstellung »Auf dem Weg zu van Eyck«, mit dem Museum Boymans van Beuningen, Rotterdam, geplant für 2012/13 in Rotterdam und Berlin.
(Jahrbuch der Berliner Museen 53 · 2011, Berlin 2013)

Die Idee zur Ausstellung stammte vom Kurator des Rotterdamer Museums Friso Lammertse, der sich dafür mit seinem Kollegen Stefan Kemperdick von der Gemäldegalerie Berlin zusammengetan hat. Die Gemäldegalerie gehört zu den Staatlichen Museen Berlin in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK). Berlin hat neun von den 90 Ausstellungsstücken beigetragen, Rotterdam drei.

Im Folgenden ist zusammengetragen, was ich in frei zugänglichen Quellen zum Zustandekommen der Ausstellung und der Absage der SPK finden konnte (z.T. aus dem Niederländischen von mir übersetzt).

Die Probleme mit der Finanzierung

Noch im August 2011 schreibt das Museum Boijmans van Beuningen in einer Pressemitteilung, dass die Ausstellung von Rotterdam nach Berlin reisen werde.

Im November 2011 gab das Rotterdamer Museum Probleme bekannt: Es bekomme die Finanzierung für die seit 2 Jahren vorbereitete Ausstellung nicht klar. Das Museum hoffe, auf unorthodoxe Weise die fehlenden 700 000 €, etwa die Hälfte der Kosten, herbeizuschaffen. 6 Kunstfreunde hätten eine Kettenbrief-Aktion gestartet: jeder stifte 1000 € und versuche, 5 andere zu motivieren, ebenfalls 1000 € zu stiften und wieder 5 andere zu motivieren. [u.a. Codart, 14.11.11]. In allen Äußerungen des Direktors Sjarel Ex in Zeitungen und Radiointerviews dazu wird ein plausibler Grund für die Finanzknappheit 1 Jahr vor der geplanten Ausstellung nicht genannt.

Zwei Monate später ist die Lage kritisch. Die Kettenbriefaktion hatte bis dahin nur 65 000 € erbracht. Jetzt wird auch ein konkreter Grund für die Finanzprobleme erwähnt [Trouw, 11.1.12]:

»Fifty-fifty schätzt Direktor Sjarel Ex die Chance, dass die geplante Ausstellung (…) im Herbst stattfinden kann. Mindestens 2 große Sponsoren muss er kurzfristig finden, sonst wird diese teure (1,3 Mio. €) Ausstellung abgeblasen.«

»In der Ausstellung sind 80 Topstücke zu sehen, von denen 70 aus ausländischen Museen kommen müssen. Anfangs konnte Boijmans diese Kosten mit der Gemäldegalerie in Berlin teilen, wohin die Ausstellung nach Rotterdam reisen sollte. Aber dieses Museum hat sich unlängst zurückgezogen, da es Geld braucht für eine Ausstellung 2014 über die Verbindungen zwischen Deutschland und Russland. Bundeskanzlerin Merkel befahl den Museen, dafür Geld frei zu machen.«

Auch in der ART (11/2012) heisst es im Bericht über die Ausstellung:

Die Gemäldegalerie Berlin »stand Rotterdam zwar nach wie vor mit ihrer Expertise zur Seite, aber das für van Eyck reservierte Budget, so wollte es die deutsche Bundesregierung, musste für das Russlandjahr 2012/13 eingesetzt werden.«

Anfang Januar 2013 bezifferte Direktor Sjarel Ex die Kosten des Rückzugs der SPK konkret (Elsevier, 5.1.13):

»Da wurde es mit einem Mal Dreihunderttausend teurer, weil wir viele Kosten nicht mehr teilen konnten. Allein Transport und Versicherung lagen um die 750.000 Euro.«

Man muss sich hier die Dimensionen vor Augen halten: auf der einen Seite ein von einer Stiftung getragenes, nur teilweise von der Stadt finanziertes Museum, das sich finanziell stark abstrampeln muss, auf der anderen Seite ein global wichtiger Player im internationalen Kunstbetrieb wie die Staatlichen Museen Berlin in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die mit der Gemäldegalerie die weltweit bedeutendste Sammlung von Kunst der hier wichtigen Epoche besitzt, und die aus den Steuergeldern des Bundes und der Länder der Bundesrepublik Deutschland finanziert wird.

Die Ausstellung eröffnet trotz des Rückzugs der Stiftung Preußischer Kulturbesitz
und endet mit einem großen Erfolg

Kurz vor der Eröffnung hat die Gemäldegalerie Berlin aus konservatorischen Gründen die Ausleihe von Jan van Eycks berühmter »Madonna in der Kirche« abgesagt, die das Topstück der Ausstellung gewesen wäre. Ausgeglichen wurde das dadurch, dass die National Gallery in Washington nun ihre ebenso berühmte »Verkündigung« von Jan van Eyck ausleiht, trotz des schlechten Erhaltungszustands des Bildes. Die Ausleihdauer beträgt jetzt ja nur 4 Monate statt 8.[Trouw, 13.10.12/1]

Die Ausstellung kostet schließlich 1.5 Mio €. Die Kettenbrief-Aktion erbrachte 107 000 €. Zur Deckung der Kosten müssen 131 225 zahlende Besucher kommen. Es konnten aber im Sommer noch 2 Stiftungen dafür gewonnen werden, Ausfallzusagen zu geben, falls weniger Besucher kommen [Trouw, 13.10.12/2].  Zur Halbzeit Mitte Dezember, waren schon mehr als 60.000 Menschen da [NRC Handelsblad, 13.12.2012]. Am 10. Januar 2013 konnte der 100.000. Besucher begrüßt werden [Rotterdams Dagblad, 11.1.2013].

Am Ende kamen 140.000 Besucher [1]. Um diese Zahl etwas einordnen zu können: Die sehr erfolgreiche Schinkelausstellung am Kulturforum Berlin hatte 60.000 Besucher [2]. Ihre Dauer war auch 4 Monate (7.9.12 – 6.1.13).

Ein weiterer großer Erfolg für das Museum Boijmans van Beuningen ist die Unterstützung des gewünschten Ankaufs eines auf der Ausstellung gezeigten, frisch entdeckten Triptychons: der Einbalsamierung (Kat. Nr. 39). Für den Ankauf in Höhe von 1.5 Millionen € wurde dem Museum eine Unterstützung von der Vereniging Rembrandt in Höhe von 600.000 € zugesagt [De Telegraaf, 18.1.2013].  Am 17. Juli 2013 meldete das Museum den erfolgreichen Ankauf, der mit weiterer Unterstützung privater Fonds und öffentlicher Geldgeber finanziert wurde [3].

Eine Woche vor »Road to van Eyck« wurde die Ausstellung »Russen und Deutsche« nach einer Station in Moskau [3] am 6.10.2012 im Neuen Museum Berlin eröffnet (und bekam zwiespältige Kritiken [4], [5]).

Warum die Absage der Stiftung Preußischer Kulturbesitz?

In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 11.11.2012 wird der Verdacht des Berliner Kunsthistorikers Prof. Eberhard König zum Rückzug der Stiftung zitiert:

»Er vermutet, die Entscheidung sei nicht zufällig kurz vor der Verwirrung um den möglichen Umzug der Gemäldegalerie entschieden worden. Dass van Eyck nicht nach Berlin kommen durfte, sagt er, sei nur ein cleverer Schachzug, um den Berlinern nicht zu viel Lust auf Kunst aus Renaissance und Mittelalter zu machen. Dann würden die es nämlich gar nicht merken, wenn die Staatlichen Museen bald auf lange Sicht die Gemäldegalerie schließen würden. Bernd Lindemann von der Gemäldegalerie bestreitet das.«

Das passt sehr gut zu dem Eindruck, den viele Kunstfreunde gewonnen haben, dass nämlich die Stiftung so gut wie nichts getan hat, um ihre Weltklassesammlung am Kulturforum bekannt zu machen. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Stiftungsspitze schon 1 Jahr nach Eröffnung der Gemäldegalerie 1998 verkündet hat, die Gemäldegalerie müsse an die Museumsinsel umziehen. Da durfte sie am Kulturforum nicht zu erfolgreich werden. Vielleicht spielte aber auch zusätzlich Folgendes eine Rolle:

Seit 2010 ist der Präsident der Stiftung Herrmann Parzinger »verstärkt wegen der Neuordnung der Museen vorstellig geworden: bei Kulturstaatsminister Neumann, der auch Stiftungsratsvorsitzender ist, bei der Vorsitzenden des Bundestags-Kulturausschusses und beim Finanzministerium.«[4]

Wenn »Bundeskanzlerin Merkel« oder »die Bundesregierung« den Einsatz von Stiftungsgelder für die Ausstellung »Russen und Deutsche« wollen, heißt das ja organisatorisch, »das Bundeskanzleramt« will das, und der Mann für Kultur im Bundeskanzleramt ist der Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann. Er hat dann tatsächlich am 12.6.2012 10 Mio € aus seinem Etat für die von der Stiftung gewünschte Umrüstung der Gemäldegalerie für die Moderne zugesagt. Es wäre interessant zu erfahren, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Umshiften des Ausstellungsetats der Stiftung Ende 2011 auf die politisch gewollte Russen-Deutsche-Ausstellung und diesen Bemühungen von Präsident Parzinger – und wenn ja: von wem dann das Geben und Nehmen ausging.

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Die Bilder auf dieser Seite sind im Original in der Ausstellung zu sehen. Sie können durch Click vergrößert werden. Es sind eigene Aufnahmen.

Hinweise zur Ausstellung
Berichte über die Ausstellung
  • NRC Handelsblad: Van Eyck kind van zijn tijd (18.10.12)
  • Independent: The road to van Eyck (21.10.12)
  • Die ZEIT:  Nehmt doch Platz! (Hanno Rauterberg, 25.10.12)
  • De Trouw: Genieten van de twijfels rond Van Eyck (26.10.12)
  • Nederlands Dagblad:  Geen brede weg, maar een kronkelpaadje vol grote gaten (26.10.12)
  • Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung: Der Kampf ums Öl (Gregor Quack, 11.11.12)
  • Wall Street Journal: An Oil-Rich Revolution (20.11.12)
  • NRC Handelsblad: Voor Van Eyck ga je op bezoek (13.12.12)
  • NZZ am Sonntag: Die Welt erwacht zu Farbe und Licht (Gerhard Mack, 16.12.2012)
  • Weltkunst: Wie die Welt in die Bilder kam (Eberhard König, 1/2013)
  • Elsevier: Dit land wordt zo kaal en koel gemaakt (5.1.2013)
  • Süddeutsche Zeitung: Bäume, wie in Bilder gepflanzt (Catrin Lorch, 8.1.2013)
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